Eigentlich ist ein Tiny House vom Bauantrag befreit, aber doch nicht so richtig
Zumindest in Bayern sind Häuser mit einem Volumen von unter 75m³ und damit auch Tiny Houses von der Pflicht eines Bauantrags befreit (siehe BayBO Art. 57 Abs. 1). Als wir mit dem Bauamt in Hallstadt nahe Bamberg Kontakt aufnehmen wurde uns davon abgeraten, von dieser Befreiung Gebrauch zu machen. Ganz ohne Erlaubnis von offizieller Stelle wäre das Aufstellen eines Tiny Houses im bürokratischen Deutschland eh unvorstellbar, oder? Die Bearbeitung eines regulären Bauantrags sei einfacher für die Behörde und daher wurde uns dazu geraten. Für diesen Bauantrag benötigt man einen Architekten, der die offiziellen Unterlagen und Bauantragsmappen erstellt, die in dreifacher Ausführung beim jeweiligen Bauamt eingereicht werden müssen.
Die Rote Bauplanmappe, die man nach dem Bearbeiten der Ämter zurückerhält
Die Erstellung unseres Bauantrags
Zuerst kontaktieren wir einen befreundeten Architekten, ob er uns bei unserem Vorhaben helfen kann. Nach seiner Zusage geben wir alle notwendigen Informationen über das genaue Grundstück weiter und mit einer Vollmacht des Grundstückseigentümers kann unser Architekt den notwendigen Flurplan beim Katasteramt anfordern. Gemeinsam analysieren wir den geltenden Bebauungsplan und finden alle Vorschriften, die wir mit unserem Tiny House nicht erfüllen können. Je nach Bebauungsplan können das Themen wie Dachform oder -neigung, notwendige Anzahl an Vollgeschossen, die Positionierung auf dem Grundstück oder auch ganz andere sein. Hier muss man sich nach dem lokal geltenden Bebauungsplan richten. Für jede Abweichung ist im Rahmen des Bauantrags ein Antrag auf isolierte Befreiung von der entsprechenden Vorschrift notwendig.
Bitte beachtet, dass eine Abweichung von Dachform und Dachneigung separat beantragt werden müssen, sollten beide von der geforderten Vorschrift abweichen. Beim ersten Antrag haben wir für unser 7° geneigtes Pultdach nur einen Antrag auf Befreiung der Dachneigung gestellt und mussten später einen zusätzlichen Antrag auf Befreiung vom vorgeschriebenen Satteldach nachreichen. Jede Nachfrage von Seiten des Amts führt zu Verzögerungen, überprüft also möglichst genau vorher, welche Anträge auf isolierte Befreiung notwendig sind. So könnt ihr einen möglichst reibungslosen Ablauf sicherstellen. Der Architekt erstellt die notwendigen Unterlagen, druckt und unterschreibt alles und stellt die benötigte Bauantragsmappe in dreifacher Ausführung zusammen. Ein Exemplar wird die Gemeinde behalten, ein Exemplar verbleibt beim Landratsamt und eine erhält man nach der Prüfung zurück.
Der großformatige Grundstücksplan, den der Architekt mit Hilfe des Katasterauszugs und den Hausplänen erstellt.
Tiny House Bauantrag eingereicht, die erste
Im August 2020 reichen wir alle Unterlagen ein und vom Bauamt erhalten wir die Einschätzung, dass wir mit einer Bearbeitungszeit von sechs bis acht Wochen rechnen könnten. Wir reichen unseren Antrag rechtzeitig für die Stadtratssitzung im September 2020 ein und nehmen persönlich an der Stadtratssitzung teil. Wir stehen als 16. Antrag von 18 auf der Agenda, also heißt es erst einmal warten, bis wir an der Reihe sind. Direkt der erste Antrag wird geradezu vom Stadtrat in der Luft zerrissen, da ihnen das geplante Haus auf diesem Grundstück nicht ins Stadtbild passt. Da rutscht uns das Herz erst einmal tief in die Hose. Die folgenden Anträge werden dann aber recht schnell und wohlwollend abgehandelt und unsere Zuversicht steigt wieder. Als unser Bauantrag endlich an die Reihe kommt sind wir extrem aufgeregt, irgendwie wie das Gefühl vor dem Start einer Prüfung in der Uni.
Die Mitglieder des Stadtrats reagieren glücklicherweise sehr positiv auf unseren Antrag und dieser wird ohne Gegenstimme angenommen. Da mit jedem bebauten Grundstück auch die notwendige Parkfläche geschaffen werden muss, haben wir auch einen Parkplatz eingeplant. Eine Stadträtin fragt uns, ob wir überhaupt ein Auto hätten, was wir an dieser Stelle verneinen, denn wir versuchen aktuell ohne auszukommen. Ein anderer Stadtrat scherzt, dass wir sie ja alle zum Richtfest einladen sollen, sobald das Haus dann steht. Uns fällt ein Stein vom Herzen, die erste Hürde zum Einzug in unser Tiny House ist genommen, jetzt fehlt nur noch die Zustimmung des Landratsamts. Die Informationen zu diesem Prozess findest du bald in unserem nächsten Beitrag zum Thema Landratsamt.
Tiny House Bauantrag eingereicht, die zweite
Leider reicht uns ein Bauantrag nicht aus, obwohl das Landratsamt den ersten im Dezember 2020 sogar genehmigte. Kurz vor dem Aufstellen unseres Hauses auf dem ersten Grunstück werden wir uns mit dem Besitzer des Grundstücks vertraglich doch nicht einig. Die bisher mündlich getroffenen Abmachungen reichen ihm beim Ausarbeiten des Vertrags doch nicht mehr aus. Er fordert eine extrem hohe Bürgschaft für etwaige Schäden am Grundstück und das Recht auf Rückbau aller Anschlüsse durch uns, wenn wir das Grundstück verlassen. Auch wenn wir uns schon sehr auf den Einzug freuen, auf einen solchen Knebelvertrag wollen wir uns doch nicht einlassen. Wir sagen alle geplanten Arbeiten im Rahmen der Hausanschlüsse ab und wir stehen wieder ganz am Anfang.
Der Bescheid des Gemeinderats zur Genehmigung unseres Antrags auf Aufstellung unseres Tiny House.
Glücklicherweise haben wir Anfang 2020 bereits mit einigen anderen Grundstücksbesitzern Kontakt gehabt. Wir melden uns bei einem der anderen Besitzer und sein Grundstück ist noch verfügbar. In kürzester Zeit erarbeiten wir einen neuen Pachtvertrag, der für beide Parteien eine gute Lösung darstellt. Vor dem zweiten Lockdown schaffen wir es sogar uns einmal persönlich zu treffen und so lernen wir den Besitzer samt Familie direkt kennen. Wir verstehen uns gut und jetzt sind wir froh, dass wir den ersten Vertrag nicht unterschrieben haben. Im Januar 2021 arbeiten wir den zweiten Bauantrag final aus und reichen diesen in der Gemeinde ein. So schafft es unser Antrag Anfang Februar wieder in die Stadtratssitzung und der Ausschuss nimmt diesen erneut an. Nun liegt es wieder beim Landratsamt Bamberg und wir warten auf eine hoffentlich erneute positive Rückmeldung. Zu unseren Erfahrungen mit dem Landratsamt haben wir einen weiteren Beitrag verfasst: Tiny House Bauantrag #2 – Landratsamt.
UPDATE 05.2021
Unser zweiter Bauantrag für das neue Grundstück wurde leider vom Landratsamt abgelehnt. Grund dafür ist die zu große Abweichung unseres Hauses vom örtlichen Bebauungsplan, der mindestens zwei Vollgeschosse, ein Satteldach und eine geschlossene Bauweise fordert. Als wir diese Bescheid erhalten haben, waren wir erst einmal am Boden zerstört. Unsere letzte Hoffnung war dann eine Genehmigung ohne Bauantrag nach BayBO Art. 57 Abs. 1 , da wir durch das Abnehmen der Räder und ein tieferes Aufbocken auf unter 75m³ kommen. Zu diesem Antrag haben wir einen neuen Post geschrieben und diesen findest du bald hier verlinkt: COMING SOON.
Hoffentlich hilft dir dieser ausführliche Bericht weiter. Wenn du gerade selbst an eurem Bauantrag arbeitest, hinterlasse gerne einen Kommentar mit Fragen und Anmerkungen. Oder melde dich direkt per Nachricht bei uns.
tiny Grüße
Jonas