Autarke Tiny Houses
Mit einem Tiny House auf einem Anhänger (THoW, Tiny House on Wheels) ist man flexibel, denn wenn man doch mal umziehen sollte, kann das Haus mitgenommen werden. Was diese Flexibilität allerdings u.a. einschränkt, sind die notwendigen Anschlüsse für Wasser, Abwasser, Strom, Telekommunikation und eventuell Gas. Das Herstellen dieser Tiny House Anschlüsse ist nicht gerade günstig (hier findet ihr bald einen Beitrag zum Thema Tiny House Anschlüsse). Wie wäre es also, wenn man gar nicht erst auf Anschlüsse an das öffentliche Versorgungsnetz angewiesen wäre? Kann man denn in einem vollkommen autarken Tiny House leben? Diese Frage wird uns immer mal wieder gestellt und daher wollen wir in diesem Beitrag auf die Frage eingehen. Beim Thema Autarkie gibt es einige verschiedene Aspekte wie Strom, Wasser, Abwasser und Gas. In diesem Artikel werde ich auf das Thema Stromautarktie genauer eingehen.

Stromautarkie im Tiny House
Der wahrscheinlich erste Punkt, an dem man beim Thema “Autarkie” denkt, ist die Stromversorgung. Photovoltaikanlagen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und Deutschland ist hinter China, den USA und Japan der größte Produzent von Photovoltaikstrom und auf die Gesamtbevölkerung gerechnet schlägt uns nur Australien in der Leistung an Photovoltaikstrom/Capita. Wenn man dann an ein kleines, schnuckeliges Tiny House denkt, dann müsste man dieses doch wohl mit Solarstrom versorgen können, oder? Leider kann man diese Frage nicht mit einem eindeutigen “ja” beantworten, die bessere Antwort wäre wohl “es kommt darauf an”.
In Deutschland kaum als einzige Stromquelle verlässlich
Ganz allgemein kann man sagen, dass es schwer werden wird, nur mit Solarstrom durch das ganze Jahr zu kommen. Wenn man ein sogenanntes Inselsystem möchte (geschlossenes System aus Erzeugung, Stromnetz und Verbraucher), braucht man in unseren Breitengraden eine sehr große Fläche an Photovoltaikmodulen. Das System muss ja immerhin auch im Dezember, dem Monat mit der geringsten Sonneneinstrahlung, ausreichend Strom für das Haus generieren. Daher würden wir eine Photovoltaik (PV) Anlage immer als Zusatz zum Anschluss an das öffentliche Netz empfehlen. Völlige Unabhängigkeit ist möglich, aber man muss viele Kompromisse eingehen, weswegen wir davon abraten.

Geschätzter Ertrag einer 1.8 kWp Photovoltaikanlage mit westlicher Ausrichtung auf einem 10° Grad geneigten Dach in Deutschland. Quelle: Ertragsrechner auf https://www.solarserver.de
Welche Leistung kann man in autarken Tiny Houses erzielen?
Die Leistung von Solarmodulen wird in Kilowatt-Peak (kWp) angegeben. Diese Größe bezieht sich auf die maximale Leistung (peak = Spitze), die das Modul unter den Idealbedingungen leisten kann (genauere Infos zu den Kennzahlen von Photovoltaikanlagen findest du hier). In der Realität werden diese Werte allerdings selten erreicht, sie dienen vor allem zum Vergleich von verschiedenen Systemen. Als Faustregel kann man sagen, dass eine um 30° der Sonne zugeneigte Photovoltaikanlage mit einer Fläche von 10m² im Jahr ca. 1000kWh Strom produzieren kann. Wenn man die Module allerdings auf einem Flachdach installiert, benötigt man eher die dreifache Fläche, um 1000kWh pro Jahr zu erzeugen.
So könnten wir beispielsweise auf den 20m² Dachfläche (7,80×2,55m) eines 7° geneigten Pultdachs 5×2 Module der Größe 148x100cm mit je 54 Zellen unterbringen. Mit 180 Watt-Peak pro Modul kämen wir so auf ca. 1,8 kWp für das gesamte Dach. Dieser Ertragsrechner schätzt einen Ertrag von ca. 1800 kWh pro Jahr. Bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch eines “normalen” Zweipersonenhaushalts von ca. 2500-3000 kWh wird das also schon ziemlich knapp. Zusätzlich haben wir eine elektrische Fußbodenheizung und einen elektrischen Boiler, was den Stromverbrauch tendenziell noch höher ausfallen lassen wird (sobald wir mal ein Jahr in unserem Tiny House Shallot gewohnt haben werden wir die genauen Zahlen berichten 😉).
Zubehör zu den eigentlichen Solarmodulen
Zusätzlich zu den eigentlichen Modulen der Photovoltaikanlage benötigt man natürlich auch für autarke Tiny Houses einen Wechselrichter, der aus der erzeugten Gleichspannung eine Wechselspannung erzeugt. Den so gewonnenen Strom kann man nun recht einfach direkt selbst verwenden und den Überschuss ins öffentliche Netz einspeisen. Leider produziert man den meisten Strom nicht zu der Zeit, wenn er wirklich auch direkt benötigt wird. Tagsüber kann man die dauerhaften Verbraucher (Kühlschrank, Lüftung, Router, etc.) wunderbar abdecken, aber der Überschuss muss auch irgendwo hin. Diesen speist man im Normalfall ins öffentliche Stromnetz ein und bekommt dafür ca. 7-8 Cent/kWh (2021). Allerdings zahlt man ca. 32 Cent/kWh, wenn man diesen aus dem Netz bezieht. Das kann also bedeuten, dass man tagsüber einen Überschuss an Strom produziert und diesen “günstig” ans Netz verkauft und dann abends “teuer” Strom aus dem Netzt bezieht. Hier kommen Batterien bzw- Akkus ins Spiel, mit denen man den erzeugten Strom speichern kann, bis man diesen wirklich benötigt.

Schematische Darstellung einer netzgekoppelten PV Anlage (Quelle: https://www.solaranlage-ratgeber.de)
Speichern von Solarstrom im autarken Tiny House
Zum Speichern von Solarstrom sind hauptsächlich zwei verschiedene Technologien verfügbar: Die lange etablierten Blei Akkus oder die neueren Lithium-Ionen-Akkus. Diese zwei Technologien unterscheiden sich sehr stark.
Blei Akkus: Altbewährte Technologie, aber etwas in die Jahre gekommen
Blei Akkus sind schwerer, die wirklich nutzbare Kapazität ist prozentual meist geringer, allerdings sind diese günstiger und sind unempfindlich gegenüber der Umgebungstemperatur. Das bedeutet, dass man bei Blei Akkus ein höheres Gewicht und Volumen einplanen muss. Dafür kann man die Akkus auch außerhalb von beheizten Räumen aufstellen, da ihnen niedrige und hohe Temperaturen nichts ausmachen. Beim Gewicht muss man mit ca. 30kg / kWh rechnen. Zwar können Blei Akkus zu 98% recyclet werden, aber die niedrigere Lebensdauer dieser Speicher widerspricht auch der Langfristigkeit der Investition in eine PV Anlage.
Lithium-Ionen Akkus: Klein, leistungsstark, aber auch teurer
Lithium-Ionen-Akkus bieten einen höheren Wirkungsgrad und bringen pro Kilowattstunde nur ein paar Kilo auf die Waage, allerdings leidet deren Leistung bei sehr hohen oder niedrigen Temperaturen. Also muss man diese eigentlich in einem klimatisierten Raum installieren. Außerdem sind Lithium-Ionen-Akkus teurer in der Anschaffung. Die Netto-Kapazität ist hier allerdings höher, von der angegebenen Brutto-Kapazität fallen nur 10-20% weg, während bei Blei-Akkus bis zu 40% der beworbenen Kapazität verloren gehen können, weil ein zu tiefes Entladen die Akkus schädigen kann.
Alles in allem werden Lithium Akkus immer günstiger und sind durch die höhere Langlebigkeit, die höhere Energiedichte und die höhere Effizienz besser geeignet für die Nutzung im Tiny House. Allerdings sind wir hier keine Experten, online findet man weit ausführlichere Vergleiche der verschiedenen Technlogien. Hier ein paar weiterführende Links:
https://wohnen-heimwerken.de/pv-heimspeicher-lithium-gegen-blei-david-gegen-goliath.html
https://www.energieheld.de/solaranlage/photovoltaik/stromspeicher/blei-oder-lithium
https://x2e-se.de/stromspeicher/pv-speicher-vergleich-lithium-ionen-akkus-vs-blei-batterien
Photovoltaikanlage für unser Tiny House "Shallot"
Wir planen bereits unsere eigene Photovoltaikanlage für unser Tiny House. Hier haben wir einen Hersteller gefunden, der keine klassischen rechteckigen Module baut, sondern “weiche” Matten, die direkt auf das Dach geklebt werden. Für ein Tiny House mit einem Pultdach haben diese den Vorteil, dass sie nicht auftragen und die maximale Höhe von 4,00m erhalten bleibt. Außerdem sind diese Module sehr leicht, was für die Installation auf einem Tiny House ebenfalls von Vorteil ist. Hier ein Link zum österreichischen Hersteller “DAS Energy”. Wir planen aktuell ein System aus 16 Modulen mit je 12×2 Zellen zu verwenden. Damit kämen wir auf eine Leistung von 1.84 kWp.
Außerdem werden wir uns wahrscheinlich ein Speichersystem auf Basis von Lithium-Ionen-Akkus anschaffen, damit wir unseren hergestellten Strom auch wirklich selbst nutzen können. Über die Kapazität und den Anbieter der Batterien müssen wir uns noch informieren, hierzu werde ich einen weiteren Artikel verfassen, wenn ich da tiefer in die Materie einsteige. 😉
Ich hoffe, dass dir dieser Beitrag einen ersten Überblick über das Thema Tiny House Photovoltaikanlagen verschaffen konnte. Hast du noch weitere Fragen? Was ist deine Meinung zu Tiny House Photovoltaik-Anlagen? Schreibe uns gerne einen Kommentar unter diesen Beitrag oder eine direkte Nachricht. Wir freuen uns darauf, von dir zu hören.
tiny Grüße
Jonas